Kroatien

Lehr-Schreinerei in Kroatien

 

In Kroatien wollte ich dann alles besser machen. Du hast Fehler gemacht, sagte ich mir und daraus lernst du jetzt. Ich legte mir Eigenverantwortung auf. Auch als Kassierer. Die Freiheit dafür hatte ich. Nicht den Geldesel spielen, sondern selber Verantwortung für die Verwendung der Spendengelder übernehmen, hieß die von mir an mich gestellte Aufgabe.

Das ich das schaffen konnte, hatte ich schon kurz vorher in Kroatien bewiesen. In nur 9 Monaten gelang es mir einem Kinderheim dort eine komplette Schreinerei zu besorgen. Völlig legal und ohne Tränendrüsengeschichten. Monatelang schrieb ich dafür Konzepte und verschickte sie. Etliche Treffen mit einer Bank in Stuttgart sicherten die Finanzierung. Prospekte wurden gesichtet und Preise verglichen. Angebote wurden eingeholt und Lieferzeiten abgeklärt.

Ein Lehrer der Berufsschule für Schreiner in Balingen und eine Schreinerei in Hechingen sagten ihr Wohlwollen und Interesse zu. Einige ausgebildete Schreiner eines alternativen Projektes mit Profi-Schreinerei auf der Alb ebenfalls. Es lief wie geschmiert und es schien, daß ich aller Orten offene Türen einrenne und man nur auf mich wartete, um sich für die Kinder in diesem kroatischen Heim zu engagieren. Seitens KbF’s kam wohlwollendes Nicken bis betretenes Schweigen.

Schnell war mir klar: tatkräftige Unterstützung muß ich mir außerhalb dieses Vereines suchen und tat dies auch weiterhin. KbF intern wurde mir dann mitgeteilt: mach dir keine Sorgen, du bekommst noch DEINE Schreinerei. Ich dachte damals: wie bitte?. Wieso MEINE Schreinerei? Es geht doch um die Kinder, ihrer Zukunft und Ausbildung? Was brauche ICH eine Schreinerei? Ich hatte schon eine, dort wo ich wohnte und lebte. Es war das selbe Spiel wie mit dem KbF-Rundbrief, der irgendwann auch als MEIN Rundbrief gehandelt wurde. Offenbar war man bei KbF geneigt mein Engagement für die Projekte und die Kinder dort, als meine persönliche Ego-Veranstaltung zu sehen. Letztendlich lief alles anders als gedacht. Irgendwann kam ein Telefonanruf von einem Man, dem ich die Konzeptmappe für eine Lehrschreinerei in dem kroatischen Heim zuschickte. Es sagte: „Alles klar ich mache das.“

Ich fragte: „Wie? Ich mache das?“

Ich besorge die Schreinerei.“

Ja wissen Sie auch was da alles gebraucht wird?“

Klar, steht ja in ihrer Konzeptmappe.“

Ja, das ist doch dann super. Sie wollen das alles zahlen?“

Nein, nein, ich besorge alle Maschinen und Werkzeuge und bringe sie auch auf eigene Kosten nach Kroatien und richte die Schreinerei gleich ein.“

Das war doch ein Wort. Und der Man hatte es auch gehalten. Er vergaß nur, daß zu einer Schreinerei auch eine Dicke/Abrichte gehört. Und eine Kreissäge, die mehr drauf hat als Bleistifte spitzen. Und das eine billigste Drechselbank aus dem Sonderangebot eines Baumarktes nur dann einen Sinn macht, wenn sie auch die ersten fünf Minuten ihrer arbeitstechnischen Existenz überlebt. Trotzdem war ich sehr stolz auf mich. Und sagte mir: geht doch, man muß bloß dran bleiben.

Kaum war von besagtem Man die Schreinerei geliefert und eingerichtet, kam auch schon eine Mail von der kroatischen Heimleitung: Hallo Mike, schöne Schreinerei. Aber wo ist der Schreiner? Du bist doch einer? Oder nicht?

Klar bin ich einer und Zeit hatte ich gerade auch. Also Koffer gepackt und ab nach Kroatien. Ich dachte ich fang schon mal an. Der Rest wird sich regeln. Ich war dann vier Wochen alleine, als Privatmensch, dort. Ich glaube ich bin bei KbF der einzige, der in allen Projekten auch mal eine Zeitlang alleine vor Ort bei den Kindern war. Das ist wichtig. Man hat keine Gruppe oder Verein mehr, hinter dem man sich verstecken kann. Und unsere Kinder und Heimleiter haben keinen deutschen Verein vor sich, vor dem sie Angst oder Respekt haben müssen. Da geht’s dann ab ohne Filter. Man lernt die Realität kennen. Kein offizielles Begrüßungs- und Nice-to see-you-Gedöns. Man bekommt auf einmal mit, wie es wirklich ist. Und das ist hart. Aber interessant. Und es ist auch sehr schön, da sich keiner mehr verstellt und seine Show abliefert.

Für mich war es in Kroatien einfacher, da ich schon Wochen vorher von der Heimleitung mitgeteilt bekam, daß die Kinder des Heimes in einer gemeinsamen Sitzung mich auf Platz eins ihrer Beliebtheitsskala gewählt hätten. Ich erhielt per Post den symbolischen Schlüssel des Heimes zugeschickt. Der Schlüßel, wie ihn alle Kinder bekommen, wenn sie im Heim aufgenommen wurden. Es war ein starkes Symbol. Es wahr ein ehrliches Symbol. Auf einmal stand ich nicht mehr außerhalb, sondern gehörte dazu. War Teil ihrer Heim-Heimat. Kein Gast mehr, sondern Freund und Leidensgenosse. Einige private Briefkontakte entwickelten sich schon vor meiner Ankunft dort als Schreiner.

Die vier Wochen in dem kroatischen Heim gingen schnell herum. Es waren die Anstrengendsten meines Lebens. Um 21 Uhr fiel ich scheintot ins Bett. Ein Bier zum Einschlafen war überflüssig. Die Heimleitung versicherte mir nach den vier Wochen, daß man mich bei den Umgang mit den Kindern genau beobachtet hätte und kein Fehler gefunden wurden. Man würde mich gleichwertig mit anderen Betreuern im Heim einstufen.

Zum Ende dieser vier lehrreichen Wochen sollte das offizielle KbF-Team für die übliche Sommeraktion hinterherkommen. Ich wollte sie in Kroatien empfangen. Daraus wurde aber nichts, da mir KbF mitteilte, daß man irgendwo in Deutschland ein Versprechen einlösen müßte, und gerade niemand da sei um das auch zu tun. So fuhr ich 1.100 Kilometer nach Deutschland zurück um bei einer Veranstaltung fünf Stunden lang Rote und Steaks zu braten. Das ist kein Witz. Noch nie in meinem Leben war ich so sauer, wie zu diesem Zeitpunkt. Die Frage: wo bin ich hier und was mache ich hier eigentlich wurde zur Überlebensfrage. Ich beschloß damals innerlich mit diesem Chaos bei KbF nichts mehr zu tun haben zu wollen. Mir fehlten da zunehmend die Inhalte.

Doch ich gab nicht auf. Und immerhin finanzierte KbF mein Engagement in Kroatien. Aber es gab auch gute Nachrichten für mich in Deutschland. Zusätzlich zu dem Üblichen standen 8.000 (eine zweckgebundene Spende des Rotary Club) für das Kinderheim bereit, in dem ich die letzte Zei lebte. Aufeinmal war ich wieder Kassierer und erinnerte mich an meinem Versagen in Goma. Das kommt nicht wieder vor, nahm ich mir vor. Als erstes nahm ich Kontakt zu dem Spender auf. Ich schrieb eine Info-und Übersichtsmappe über das Heim in Kroatien und erklärte ihm, wie man meiner Meinung und Erfahrung nach diese Spende vor Ort in Kinderhilfe umsetzen könnte. Als zweites machte ich mir Gedanken: gut Michelus, wenn du nicht weiter der Geldesel sein willst, muß du jetzt auch in die Verantwortung gehen, Entscheidungentreffen, sie Umsetzen und dafür geradestehen. Da ich mir einbildete zu wissen, daß besagtes kroatisches Heim sich in keiner besonderen finanziellen Notlage befand und glaubte die laufenden Kosten sind über viele andere Spender für die nächste Zeit gedeckt und vor allem, weil mir die Heimleitung schon vor längerer Zeit signalisierte, man brauche kein Geld, sondern vielmehr Menschen die Verantwortung übernehmen und die Zukunft des Heimes aktiv mitgestalten, sah ich mich auch von dieser Seite ermutigt, genau das zu tun.

Ich entschloß mich von dem Geld nur 6.500 in Bar mitzunehmen. Für die restlichen 1.500 kaufte ich in Deutschland eine Dicke/Abrichte und eine Tischkreissäge für die Schreinerei des Heimes. Zwei Maschinen, von denen ich mir sicher war, sie würden den harten Alltag im Heim wenigsten 1 Jahr überleben. Keine Profimaschien, daß war für das Geld garnicht drin, aber solides Material.

Die Heimleitung war von mir jedoch schon darüber informiert worden, daß da eine Spende von 8.000 für das Heim bei KbF eingegangen sei. Deshalb hatte ich kein gutes Gefühl beim Kauf der Maschinen. Schon zu gut kannte ich die Mentalität der Balkanesen. Die wollen zwar immer mit einem saufen und werden nicht müde zu betonen, daß Geld ja nicht alles sei und es viel mehr auf die Freundschaft und " das Leben genießen" ankommt, doch wenn es dann ernst wird, konnte diese Meinung recht schnell umschlagen. So informierte ich vor dem Kauf der Maschinen die Heimleitung von meiner Idee, ein Teil des Geldes dafür einzusetzen, die Schreinerei zu komplettieren und damit einsatzfähig zu machen. Die Antwort kam prompt und hieß: kein Problem, alles ok.

So war ich etwas beruhigt. Ich besorgte alles, was in der Schreinerei zum Arbeiten noch fehlte und freute mich dieses Kapitel dann abhaken zu können. Die Schreinerei war jetzt voll da.

Zurück nach Kroatien fuhr ich mit dem gesamten KbF-Team. Vorher jedoch gab es ein Info-Treffen in Deutschland. Ich nahm mir vor die anderen von meinen Erfahrungen zu berichten und ihnen viel von den Kindern und ihrer Lebenssituation zu erzählen. Ich zeigte Fotos von den Kindern und einem neu erworbenen Haus des Heimes, an deren Kauf sich Mitglieder der Kroatien-Gruppe von KbF, so auch ich, finanziell und privat beteiligten. Keine zwei Sätze konnte ich ausreden ohne mit Fragen unterbrochen zu werden: Wie groß ist daß? Muß man das abreißen?. Was ist das für Material? Wo laufen die Wasserleitungen? Sind die Fenster noch gut? Sollen wir das Dach reparieren? Ich war auch hier schnell desillusioniert und fragte mich, ob dieser Verein jetzt: „Rigibsplatten brauchen Mörtel“ heißt. Und wieso die nicht zum Bauhof gehen und ihrer Stadt ehrenamtlich einen Schuppen richten. Die sahen nur Baustellen.

Mit ein paar Kinder zur Deko drum rum.

Vor Ort wurde alles noch schlimmer. Ich erfuhr, daß die Heimleitung offenbar doch ein Problem damit hatte, mein Gefühl war richtig, daß ich IHR Geld für Maschinen ausgebe. Ich verschlimmerte die Situation dadurch, daß ich nicht gleich in den ersten Tagen das gesamte Restgeld der Rotary-Spende der Heimleitung übergab. Ich wollte vorher ein Gespräch um über die Verwendung der Spendengelder zu reden. Als Kassierer stand ich in Deutschland ja in der Rechenschaftspflicht. Und interessiert hat es mich ja auch. Vor allem wollte ich meine Erfahrungen aus anderen Projekten mit einbringen. Ich hatte da schon ein paar Ideen, denn immerhin lebte ich seit über 18 Jahre ausschließlich in Projekten, WGs und anderen Gemeinschaften, die in ihrer Struktur und Zielausrichtung dem privaten kleinen kroatischen Heim sehr ähnlich waren. Jeden Fehler, den man dabei machen kann, hatte ich schon gemacht.

 

In der ersten Woche war jedoch im Heim, wir wohnten mit den Kindern zusammen, keine Heimleitung zu sehen. In der zweiten Woche wurde mir von einem mit anwesenden KbF-Vorstandsmitglied erklärt, er habe die Info erhalten, daß man uns alle rausschmeißen würde, wenn ich nicht sofort die 6.500€ der Heimleitung übergebe.

Später erfuhr ich von einem Heimkind das deutsch sprach, daß den Kindern von der Heimleitung und den Mitarbeitern erzählt wurde, ihr Kühlschrank sei leer und die Tampons sind alle, weil die Deutschen das Geld der Kinder für sich selber  behalten wollen. In der dritten Woche habe ich das gesamte Geld auf das Konto des Heimes überwiesen und bat um einen Gesprächstermin. Der wurde abgelehnt. Begründung: man sei jetzt nicht soweit.

Was ich mir vornahm, aus alten Fehlern zu lernen, schaffte ich nicht. Ich deponierte wieder größere Mengen an Spendengelder auf ein Konto, ohne zu wissen, was damit geschieht. Ich war mal wieder nur der Überweisungs-Idiot.

Von Seiten der mit anwesenden KbF-Vorstände kam Schweigen oder Ratschläge wie: „Was willst du eigentlich? Was hängst du hier den Kassierer raus? Gib das Geld ab und las uns wieder abhauen. Haben wir in Afrika doch auch nicht anders gemacht.“

Wieder andere, die das alles überhaupt nicht interessierte, legten solange einen der wenigen noch wassertragenden Brunnen des Dorfes trocken , damit sie ihren mitge-brachten Swimmingpool einweihen konnten.

Damit war ich als Kassierer und Mensch auch in Kroatien gescheitert.

Die Schreinerei wurde wenig später von der Heimleitung abgerissen.

Man wolle sie jetzt noch größer und herrlicher wieder aufbauen.

Alles Klar. Verstehe.

 

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