Kochen und seine Folgen

Kochen und Weltrettung verbindet sich manchmal auf seltsamster Weise.

Wie ich feststellte.

Es muß 1998 oder ’99 gewesen sein. Zu dieser Zeit und schon Jahre vorher besuchte uns in unserem Tagungshauses des Walunga-projektes regelmäßig eine Tanz- und Trommelband aus Ghana. Sie nannten sich Kalifi. 10 Ghananesen trommelten und tanzten mit 30 Workshopteilnehmern tagaus tagein. Drei Wochen lang. Unsere Nachbarn fanden halbnackte Neger in ihrem Kaff jedoch seltsam. Um sie ein wenig zu beruhigen, fand hin und wieder ein morgendliches durch‘s Dorf laufen statt. Natürlich mit Trommeln. Half aber auch nicht viel. Unser Ruf besserte sich dadurch nicht. War uns dann aber auch egal.
Wurde nicht getanzt oder getrommelt, verkürzte man sich die Zeit mit vögeln. Vereinsintern wurde der Workshop von Kalifi „vögeln mit Negern“ genannt.
Am letzten Abend wurde dann afrikanisch gekocht. In meinem Restaurant. Wichtig war, daß vor jeder Kochstelle ein Hocker stand, damit die Kalifis in die Töpfe kucken konnten. Die Mädels sangen und schnippelten und die Männer brachten die Hühner. Nach dem man die toten Göckels mit der Axt zu Brei zerdrosch, kochte man das ganze 8 Stunden in einer Soße aus Erdnußbutter. Geschmeckt hat es immer, soweit das Piri Piri ein Erkennen von Geschmack zuließ. Sogar zwei bleichgesichtige Veganer mit Jesus-Effekt probierten vom Huhn. Zu mindestens einem von ihnen war klar geworden, daß er bald tot umkippt, wenn er nicht schleunigst was vernünftiges ißt.

Irgendwann in dieser Zeit tauchten Mitglieder einer Kinderhilfsorganisation auf. Sie spendeten ein paar Worte. Auch wir habe Kinder aus Afrika usw. Die ersten Kontakte waren geknüpft und Monate später veranstalteten dieser Verein und das Walunga-projekt ein Kinderfest mit Zauberei, Schminkerei und Schweinerein vom Grill.
Ich war damals als Profikoch für das Essen zuständig. Ich meine es war ja auch mein Biergarten wo das stattfand. Alles war schön organisiert und vorgerichtet. Jeder Handgriff saß. Da mußte ich gar nicht erst nachdenken. Kochen war bei mir zu einer Art Reflex geworden. Profi halt.
Auf einmal kommt ein Man freudestrahlend auf mich zu, drückt mir die Hand und sagt: „Schön das du auch beim Helfen hilfst.“, reißt mir meine Grillgabeln aus der Hand und wendet meine, ich betone MEINE, Roten. Man war ich sauer. Der wendete völlig unakkurat. Und die Grillgabel legte er auch nicht im rechten Winkel zur Tischkannte ab. Geschweige denn, das er dafür den bereitgestellten Profi-Teller mit darauf liegendem Profihandtuch benutzte.
Ja ich war schon damals ein richtiges kleines Arschloch. Nachdem mein erster Anfall mimosenhaften Gehabes nachließ, freute ich mich auch, mal für ein paar Minuten „frei“ zu haben. Ich schaute mir den Rummel näher an. War alles schön gemütlich, beschaulich und klein. Familienatmosphäre. Ich fand das toll und wurde gleich Mitglied bei dieser Wir-retten-die-Welt Organisation. Weltrettung war bei mir Ehrensache. Da mußte man mich erst gar nicht lange bitten. Mein freiwilliger Mitgliedsbeitrag war üppig, aber angemessen. Irgendwann brachte die Post dann auch einen Rundbrief des Hilfsvereines. Der wurde damals noch per Kopierer vervielfältigt. War sehr interessant. Vor allem die letzte Seite. Da stand groß: schreiben sie uns ihre Meinung! Meinung? Meine Meinung? Ich war hingerissen. Irgendwo im Rundbrief stand was von Problemen bei Hilfslieferungen nach Ruanda mit den Behörden dort. Ich hatte keine Ahnung wo dieses Land liegt, was mich jedoch nicht hinderte Meinung zu haben. Also schrieb ich. Ich weiß nicht mehr was, aber in Erinnerung ist es mir in etwa so: „Zisch, zap, bum. So geht das! Wo ist das Problem?“ Das Wort Panzer fiel auch.
Für mich war die Sache damit erledigt. Die hatten bekommen was sie wollten. So vergingen die Monate und es wurde gekocht und geschlafen, gekocht und geschlafen, gekocht und geschlafen und zwischen kochen und schlafen wurde gesoffen. Wenn jemand von euch jemanden kennt, der Koch werden will: bindet ihn fest! Holt einen Arzt oder Exorzisten! Notfalls betäubt ihn!
Irgendwann kam dann auch meine erste Einladung zu einer Jahreshauptversammlung des Vereines. Ich drückte meinem zweiten Chefkoch zusätzliche Überstunden rein und kam. Ich glaube ich kam etwas später. Die Show war schon am laufen. Der erste Vorsitzende redete und redete und irgendwann kam er auf Probleme in Ruanda zu sprechen. Plötzlich hob er den Zeigefinger und sagte: „Es gibt ja Leute im Verein die glauben diese Zoll-Probleme mit Panzern lösen zu können...aber denen sei gesagt...“ Ich war sofort auf 180 und dachte mir: der zitiert aus meinem Brief, der Arsch. Dabei hat er mir noch nicht einmal geantwortet. Ich wurde immer wütender. Plötzlich sprang ich auf und rief nach vorne: „Jetzt muß ich hier mal unterbrechen hier. Mir scheint als ob du mich zitierst. Das ist doch völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Du weißt ganz genau, daß ich es SO nicht gemeint habe“ usw. Dem Redner war das ziemlich peinlich. Na ja. Er schlug mich bei der Wahl als neuen Beisitzer vor. Ich lehnte ab.
Das war mir dann auch zu blöd.
Nach dem offiziellem Teil der Veranstaltung kam ein dünner Mann ganz hektisch an meinen Tisch. Er formte seine Hand zu einer Pistole, hielt sie mir an den Kopf und flüsterte mir ganz aufgeregt ins Ohr: „Weißt du wie man sich fühlt, weißt du wie man sich fühlt? Wenn man da unten ist und ein Soldat einem die Knarre an den Kopf hält? Hä? Darüber mußt du mal nachdenken!“ Ich dachte mir oh Gott, was geht jetzt ab. Wo haben sie den denn losgelassen? Der stand wohl noch nie in einer Küche?
Er war schnell wieder weg. Der Mann ist heute ein sehr guter Freund von mir. Später hatten wir einen wunderbaren Streit in Bulgarien, an den wir uns beide noch gerne erinnern. Von der Makarow an meinem Kopf, im Stasikeller Anno 1985, habe ich ihn bis heute nichts erzählt. Meine war durchgeladen und entsichert und ich heulte das die Wände wackelten. Mit 18 ist man einfach zu jung für diesen Blödsinn.

Die nächsten Jahre besuchte ich für diesen Verein die halbe Welt. Mir ist heute noch ganz schwindelig. Was man in Kongo/Zaire von meinen Königsberger Klopsen hielt, werde ich wohl nie erfahren. Das ein Gurken-Creme-Süppchen jedoch auch den Kroaten erfreut, gilt als gesichert.
Nur der Bulgare machen mir noch Sorgen. Was für den Schwaben sein Sößle, geht dort nicht unter einen halben Liter Öl. Kein Wunder, daß die nach der Pubertät alle aufgehen wie die Hefeklöße. Aber mollig ist ja auch nett.
Ein Tipp zum Schluß: meidet in Ruanda den Manioc-Wurzel-Brei. Es gibt Dinge, die braucht der Mitteleuropäer einfach nicht. Wer es trotzdem wissen will, rühre sich eine Tüte Tapetenkleister an.
Der Effekt ist der selbe.
Der Geschmack auch.